NA Infocenter

Erfolgsgeschichten

Eine junge Süchtige …

Alle Süchtigen können Genesung in NA finden… auch ein fünfzehnjähriges Mädchen von einer Insel im südlichen Florida, das gelernt hat, mit lauter Dreißigjährigen Kaffee zu trinken und rumzuhängen. Denn sie wusste, dass ihre Genesung von diesen Leuten abhing – auch wenn sie sie anbaggerten, wenn sie sie neckten, weil sie so jung clean wurde und ihr erzählten, was für ein Glück sie hatte, keine richtigen Schmerzen erleben zu müssen – während sie schweigend unter ihrer Vergangenheit litt: sexueller Missbrauch, Überdosis, Promiskuität, Verhaftungen, Gewalt, Einsamkeit, Schuldgefühle, Paranoia. So gern hätte sie gesagt, dassihr Schmerz genauso zerstörerisch wie der Schmerz eines obdachlosen Junkies oder jedes anderen Süchtigen war – auch wenn sie in ihren Augen anders (jünger) war. Sie war bereit aufzuhören; sie bat um Hilfe. Aber manche NA-Mitglieder erzählten ihr, sie sei zu jung, um eine Süchtige zu sein. Andere gingen ihr aus dem Weg oder lehnten sie ab. Gott sei Dank gab es aber auch diejenigen, die ihr sagten, dass sie ihren Platz in Narcotics Anonymous verdient hatte und dass sie bleiben und dafür kämpfen sollte.

Ich erinnere mich daran, wie ich zum ersten Mal die Botschaft der Genesung hörte. Wie so oft stolperte ich betrunken zu meiner Englischstunde in der 9. Klasse der High School ins Klassenzimmer, nachdem die Stunde schon angefangen hatte. An diesem Tag war irgendetwas anders. Die Klasse war still und eine Frau sprach mit der Lehrerin.

Ich schlich mich nach hinten in die Ecke. Die anderen Schüler wichen mir dabei aus, weil ich oft aggressiv wurde. Ich putzte gerade den Schweiß von meiner Sonnenbrille, als die Lehrerin die Frau vorstellte. Die Besucherin sei eine ehemalige Drogenabhängige, die uns über ihr Drogenproblem erzählen würde. Die anderen Schüler lachten sich schlapp, als ich sie fragte, ob sie uns ein paar Drogen mitgebracht hätte.

Als sie anfing, über ihre Kindheit zu reden, lutschte ich Papierkügelchen im Mund zurecht und schoss mit einem Strohhalm auf sie. Jemand warf ein zerknülltes Hausaufgabenblatt nach ihr, während sie über ihre Verhaftungen und Überdosen sprach. Ich lachte und heizte die anderen an, sich so respektlos und nervtötend wie möglich zu benehmen.

Obwohl wir sie die ganze Zeit piesackten, blieb ihre Stimme gleichmäßig und ruhig. Obwohl ich so tat, als würde sie mich überhaupt nicht interessieren, hörte ich jedes Wort, das sie sagte, jedes einzelne Wort.

Ich hatte schon versucht, mit dem Drogennehmen aufzuhören, hatte es gewollt und versprochen, aber immer vergebens. Es klingt vielleicht unglaublich, aber ich komme aus einer wunderbaren Familie mit liebevollen Eltern und zwei älteren Brüdern, die ich bewundere. Meine Nähe zu ihnen wurde langsam zerstört und ich fühlte mich vollkommen unfähig, etwas dagegen zu tun.

Etwas später an diesem Tag kamen zwei nicht süchtige Freunde auf mich zu. Sie hatten schon oft versucht, mir beim Aufhören zu helfen, indem sie für mich logen, mich in die Klasse oder nach Hause schleppten, mich anflehten aufzuhören, mir meine Drogen wegnahmen oder damit drohten, zu petzen. Jetzt baten sie mich, die nächste Stunde ausfallen zu lassen, um jemanden zu treffen. Als wir in das Zimmer kamen, war sie da – die Frau, die mich gleichzeitig fasziniert und zu Tode erschreckt hatte.

Bevor ich ging, sagte sie mir, dass sie mich gerne in ein Narcotics-Anonymous-Meeting mitnehmen wollte. Was sie sagte, erwies sich später für mich als tröstlich. Sie sagte voller Zuversicht: „Nur für heute musst du nie wieder Drogen nehmen.“

Am Ende dieses ersten Meetings stand ich vor der Tür mit einem schlichten weißen Poker-Chip in der Hand. Später erfuhr ich, dass dieser weiße Poker-Chip ein Symbol für meine Kapitulation ist und mich daran erinnern sollte, dass ich mit meinem Leben spielte, wenn ich ihn wegwarf. So seltsam das vielleicht klingt: Ich spürte, in meinem Alter und ohne etwas über NA zu wissen, dass ich etwas gefunden hatte, das mein Leben für immer verändern würde. Aus irgendeinem Grund wusste ich, dass ich in Sicherheit war, dass ich Hilfe gefunden hatte.

So begann meine Reise der Genesung, die mich an Orte führte, die jenseits meiner Vorstellung lagen. Mit der Zeit lernte ich die Traditionen und die NA-Servicestruktur kennen. Damals hatte ich noch keine Ahnung, dass es mir eines Tages Spaß machen würde, Service zu machen. Heute telefoniere ich, begrüße Neuankömmlinge, gebe Literatur aus, decke den Tisch und stelle Stühle auf, koche Kaffee, bringe den Müll weg und wische nach dem Meeting den Boden.

Trotz des Drucks der anderen Teenager, die nur »ihre Zeit absaßen«, war ich mit der Bereitschaft gesegnet, mir eine Sponsorin zu suchen und mit ihr eine Beziehung aufzubauen. Ich wusste noch nicht, dass ich selbst auch im Laufe der Jahre viele Frauen sponsern würde, da ich etwas Wertvolles zu geben hatte und bereit war, es zu geben, weil es auch mir so großzügig gegeben wurde.

Für mich war es ein Geschenk, dass ich meine Genesung ernst nahm. Ich hörte zu und hielt mich an die „Gewinner“, genau so, wie es mir gesagt wurde. Ich folgte voller Vertrauen dem Vorschlag meiner Sponsorin, an der World Convention in Chicago teilzunehmen. Dort lernte ich Süchtige aus der ganzen Welt kennen und teilte mit ihnen meine Genesung. Manche von ihnen sind heute noch clean und ich betrachte sie als meine Brüder und Schwestern. Viele Süchtige, die ich liebe, habe ich auch sterben sehen.

Ich wusste nicht, dass die Frau, die in diesem Klassenzimmer ihre Geschichte mit mir geteilt hatte, nach drei Jahren Cleanzeit rückfällig werden und an einer Überdosis sterben würde. Ich wusste nicht, dass ich eines Tages zwanzig Jahre clean feiern würde, und zwar in dem Meeting, das sie gegründet hatte und das heute noch meine Stammgruppe ist. Ich hatte keine Ahnung davon, wie viel Glück ich hatte, dass ich NA kennenlernte, nicht nur weil ich selbst so jung war, sondern auch weil NA noch jung war.

Ich glaube zutiefst an die Botschaft von NA, nicht nur aufgrund all der Geschenke der Genesung, sondern auch wegen der furchtbaren Schmerzen, die ich in meiner Genesung durchgestanden habe. Es gab einsame, schreckliche Zeiten, die ich nicht durchleben wollte, und Zeiten, in denen ich zu gar nichts mehr in der Lage war. Gott, die Zwölf Schritte und andere genesende Süchtige haben mich das aber clean überstehen lassen.

Die Botschaft von Narcotics Anonymous, die ich Tag für Tag in meinem Herzen lebendig zu halten versuche, ist heute noch genauso gültig für mich wie an dem Tag, an dem ich diese Frau hörte – die Frau, die den Mut hatte, ihre Geschichte vor einer Schulklasse zu teilen und zu sagen, „dass Süchtige, alle Süchtigen, aufhören können, Drogen zu nehmen, das Verlangen zu nehmen verlieren und eine neue Lebensweise finden können“.

Alle Süchtigen, auch du!


Geschichte aus: Basic Text 6. Auflage, Copright Narcotics Anonymous World Services, Inc. Chatsworth, California

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